Lichtblättern im transparenten Gehirn
Neueste Spitzentechnologie zur 3D-Visualisierung von Hormontransport über die Blut-Hirn-Schranke
Lebenslauf von Luke Harrison: Luke Harrison arbeitet seit 3 Jahren am Helmholtz Zentrum München in der Arbeitsgruppe von Dr. Paul Pfluger. Er verfasst dort seine Doktorarbeit über neuartige Krankheitsentitäten und Behandlungsstrategien für Leptinresistenz und das metabolische Syndrom. Den ersten Kontakt mit Mikroskopie bekam er während seines Biologiestudiums in Edinburgh, Schottland, und im Zuge eines Praktikums beim Mikroskop-Hersteller Till Photonics. Sein Masterstudium absolvierte er in 2015 an der Ludwig-Maximilians-Universität München in Biologie mit dem Schwerpunkt auf moderne Mikroskopieverfahren zur Visualisierung von Immunzellen. Von Beginn an interessierte er sich für die Verwendung von innovativen Mikroskopiemethoden, um biologische Fragestellungen zu beantworten.
Lebenslauf von Paul Pfluger: Dr. Paul Pfluger leitet seit 4 Jahren die Abteilung Neurobiologie des Diabetes am Helmholtz Zentrum München. Nach dem Studium der Biologie an der Universität Konstanz und der Promotion zur Biochemie von Mikronährstoffen am Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam-Rebrücke beschäftigt er sich seit einem langjährigen Forschungsaufenthalt als Postdoc sowie Assistenzprofessor an der University of Cincinnati in den USA mit zentralnervösen Mechanismen der Energie- und Glukosehomöostase. Aktuell arbeitet sein Team an der Erforschung der hypothalamischen Leptin-Resistenz sowie an epigenetischen Mechanismen des Jojo-Effektes nach Gewichtsverlust.
Abb. 1: Markiertes Leptin in Kombination mit Tissue‑Clearing und Lichtblatt-Fluoreszenzmikroskopie ermöglicht die 3D-Darstellung der Leptinverteilung im intakten Mausgehirn. Nach Injektion von markiertem Leptin in dünne oder adipöse Mäuse wurden 45 min später die Gehirne entnommen und mittels Tissue‑Clearing transparent gemacht und hiermit für die Lichtblattmikroskopie vorbereitet (A). Die Akkumulation von fluoreszenzmarkiertem Leptin in den Plex –us choroides sowie weiteren zirkumventrikulären Organen wird sowohl in der koronalen (B) als auch in der orthogonalen Betrachtungsebene (C) sichtbar. Das Gehirngefäßsystem wird rot dargestellt, Leptin erscheint in grün. Das noch im Kreislauf befindliche Leptin wird aufgrund der Überlappung von Rot und Grün als orange / gelb wahrgenommen. Der Vergleich vor und nach Tissue‑Clearing am Gehirn wurde aus Chung et al. Nature (2013) 497, 332–337 2013 adaptiert.
Abb. 2: Vergleich von Lichtblatt- und traditioneller Weitfeldbeleuchtung. (a) Darstellung einer planaren Lichtblattbeleuchtung. (b) Typische Weitfeldbeleuchtung mit deutlicher Beleuchtung außerhalb der Fokusebene. (c) Nur ein dünner Abschnitt der Probe wird bestrahlt. (d) Durch Weitfeldbeleuchtung wird ein viel größeres Probenvolumen bestrahlt, das meiste davon ist unscharf. Die Abbildung wurde adaptiert aus John R. Allen - microscopyu.com/techniques/light-sheet/light-sheet-fluorescence-microscopy (Nikon Instruments Inc., 1300 Walt Whitman Road, Melville NY 11747-3064)
Jahrhundert in der Literatur findet [1], jedoch erst rund 100 Jahre später an Bedeutung gewinnen konnte. Eine der häufigsten Hürden bei der Fluoreszenzabbildung in biologischen Geweben ist die Streuung von Licht. Dies geschieht aufgrund der unterschiedlichen Brechungsindizes zwischen den Strukturen in den Zellen, beispielsweise einer Lipidmembran und dem Zytosol. Es gibt verschiedene Clearing Techniken mit jeweils unterschiedlichen Vor- und Nachteilen. Im vorliegenden Fall wurde die lösungsmittelbasierte Clearing Methode angewendet. Diese dauert in der Regel 1 Woche und umfasst zwei Schritte: 1. Dehydratisierung mit Lipidsolvatisierung durch typische Alkoholdehydratisierung und 2. zusätzliche Lipidsolvatisierung und Clearing durch Brechungsindexanpassung an den verbleibenden Index des dehydratisierten Gewebes unter Verwendung einer Mischung aus Benzylalkohol und Benzylbenzoat. Die Reduktion von Lichtstreuungen sind schon mit bloßem Auge eindeutig zu erkennen (Abb. 1a)
- Die Hauptvorteile lösungsmittelbasierter Clearing-Verfahren sind die Qualität und die Geschwindigkeit des Clearings. Die Geschwindigkeit wird besonders interessant, wenn das Clearing mit einer Immunfärbung kombiniert wird, da das Eindringen von Antikörpern in große Gewebe sehr lange dauern kann, normalerweise mehrere Wochen (obwohl neue Methoden diese Zeitbegrenzung überwinden, wie wir weiter unten darlegen). Aus diesem Grund ist ein schnelles Clearing kritisch, wenn die Versuchsdauer innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens gehalten werden soll. Einer der Hauptnachteile bei lösungsmittelbasierten Verfahren ist die toxische und ätzende Wirkung der verwendeten Chemikalien. Hierdurch sind spezielle Werkzeuge und Objektive erforderlich, um Schäden am Mikroskop zu vermeiden. Zudem sind keine direkten Lipidfärbungen möglich, da Lipide chemisch entfernt wurden. Da außerdem das Gesamtgewebe während des Clearing-Prozesses schrumpft, kann die Gewebemorphologie gravierend modifiziert sein. Die meisten Clearing-Ansätze basieren auf der Verwendung von Benzylalkohol und Benzylbenzoat (BABB) als Grundlösungsmittel. Das ursprüngliche BABB-Protokoll quencht jedoch die Fluoreszenzemission nach kurzer Zeit und ist daher für viele mikroskopische Analysen nicht geeignet [2]. Protokollanpassungen wie 3DISCO [3] sorgen hier für eine verbesserte Fluoreszenzstabilität. Diese Protokolle werden ständig verbessert, was man an den Beispielen von uDISCO [4] und vDISCO [5] deutlich erkennen kann. Um endogene Fluoreszenz trotz BABB-basiertem Clearing zu erhalten, wurde zudem ein neues Verfahren entwickelt das auf dem Einbetten von geclearten Geweben in klare feste Harze basiert, wodurch letztendlich die Photobleichung drastisch verringert wird [6].
- Diese Methoden sind relativ einfach durchführbar und verwenden häufig nicht-toxische Substanzen wie Saccharoselösungen oder 2,2‘-Thiodiethanol (TDE), wodurch sie für eine Vielzahl von Mikroskopsystemen und Laboren geeignet sind. Ein weiterer großer Vorteil ist die Lipidkonservierung, d.h. Lipide können direkt angefärbt werden. Ein großer Nachteil ist jedoch die Clearing-Zeit, die normalerweise im Bereich von einigen Wochen liegen wird. Dementsprechend dauert das Clearing größerer Gewebe noch länger und ist mit dieser Methode oft nicht realistisch.
- Dieses Verfahren beinhaltet das Eintauchen der Probe in eine wässrige Lösung, die entweder Harnstoff oder Formamid enthält, um die Probe passiv zu reinigen. Wie bei anderen Passiv-Clearing-Verfahren auf wässriger Basis ist diese Methode vergleichsweise langsam und kann bei größeren Proben mehrere Wochen dauern. Harnstoff bzw. Formamid unterstützen die Hydratation von Proteinen durch die Erzeugung von osmotischen Gradienten in den Proteinstrukturen. Der optionale Einsatz von Detergenzien führt zu einer Zerstörung der Lipide und Lipidmembranen und erhöht die Clearingqualität, verhindert aber eine Lipidfärbung. Ein klarer Vorteil der Methode ist die Konservierung fluoreszierender Proteine, was für den Nachweis von endogen exprimierten Proteinen von entscheidender Bedeutung sein kann.
- Das Prinzip beim Hydrogel-basierten Clearing besteht darin, Proteine mit einem Hydrogel zu vernetzen, Lipide mit Detergenzien zu entfernen und dann den Brechungsindex der Proben auf eine Lösung mit einem Brechungsindex von 1,38 bis 1,45 abzustimmen. Dies wird oft durch Perfusion eines ganzen Tieres mit einem Fixiermittel, einem temperaturabhängiger Crosslinker und dem Hydrogel erreicht. Zu den Vorteilen zählen hervorragende Ergebnisse beim Clearing sowie die Kompatibilität mit Fluorophoren auf Proteinbasis. Die Standardmethoden sind jedoch relativ langsam, aber neue Anpassungen des Protokolls, die die Verwendung von Elektrophorese zur Beschleunigung des Clearing-Prozesses beinhalten, sind verfügbar, erfordern jedoch eine spezielle Ausrüstung [7].
Luke Harrison1,2,3,4 und Paul Pfluger1,2,3
Zugehörigkeiten
1 Research Unit Neurobiology of Diabetes, Helmholtz Zentrum München, Neuherberg, Deutschland
2 Institute for Diabetes and Obesity, Helmholtz Zentrum München, Neuherberg, Deutschland
3 German Center for Diabetes Research (DZD), Neuherberg, Deutschland
4 Division of Metabolic Diseases, Technische Universität München, Munich, Deutschland
Kontakt
Dr. Paul Pfluger
Research Unit NeuroBiology of Diabetes
Helmholtz Zentrum München GmbH
Neuherberg, Deutschland
paul.pfluger@helmholtz-muenchen.de
www.helmholtz-muenchen.de/nbd
Originalpublikation:
Harrison, L. et al.: Fluorescent blood–brain barrier tracing shows intact leptin transport in obese mice. International Journal of Obesity (2018) doi:10.1038/s41366-018-0221-z
Übersicht zu Tissue-Clearing Methoden
Literatur
[1] Spalteholz W. Über das Durchsichtigmachen von menschlichen und tierischen Präparaten und seine theoretischen Bedingungen, nebst Anhang: Über Knochenfärbung: S. Hirzel; 1914.
[2] Dodt H-U, Leischner U, Schierloh A, Jährling N, Mauch CP, Deininger K, et al., 2007. Ultramicroscopy: three-dimensional visualization of neuronal networks in the whole mouse brain. Nature Methods 331
[3] Erturk A, Becker K, Jahrling N, Mauch CP, Hojer CD, Egen JG, et al., 2012. Three-dimensional imaging of solvent-cleared organs using 3DISCO. Nat Protoc 11:1983-95
[4] Pan C, Cai R, Quacquarelli FP, Ghasemigharagoz A, Lourbopoulos A, Matryba P, et al., 2016. Shrinkage-mediated imaging of entire organs and organisms using uDISCO. Nature Methods 859
[5] Cai R, Pan C, Ghasemigharagoz A, Todorov MI, Förstera B, Zhao S, et al., 2019. Panoptic imaging of transparent mice reveals whole-body neuronal projections and skull–meninges connections. Nature Neuroscience 2:317-27
[6] Becker K, Hahn CM, Saghafi S, Jährling N, Wanis M, Dodt H-U, 2014. Reduction of Photo Bleaching and Long Term Archiving of Chemically Cleared GFP-Expressing Mouse Brains. PLOS ONE 12:e114149
[7] Lee E, Choi J, Jo Y, Kim JY, Jang YJ, Lee HM, et al., 2016. ACT-PRESTO: Rapid and consistent tissue clearing and labeling method for 3-dimensional (3D) imaging. Scientific Reports 18631